Gegen den Aufsteiger gelingt ein 69:56-Erfolg – mit neuen Trikots und einer überraschenden Neuverpflichtung. Von Max Kramer
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ach der wie erwartet deutlichen Heimniederlage gegen die RSB Thuringia Bulls (55:98) wieder eine ausgeglichene Punktebilanz herstellen – das war das erklärte Ziel, mit dem der USC München am Samstag die Reise zum Aufsteiger ASV Bonn antrat. Und die Aussichten hätten durchaus schlechter sein können: Während die Bonner, mit einem Überraschungssieg gegen die BSC Rollers Zwickau (71:55) gestartet, zuletzt zwei Mal als Verlierer vom Court mussten, zeigte die USC-Formkurve mit spielerisch und taktisch ansprechenden Leistungen nach oben.
Doch von dieser Rollenverteilung war in der Anfangsphase nichts zu sehen: Die Bonner erwischten einen Traumstart und zogen in den ersten fünf Minuten auf 15:0 davon. Die Gäste aus München konnten die Schockstarre jedoch peu à peu ablegen, verkürzten den Rückstand kontinuierlich und gewannen nach einem Kraftakt letztlich verdient mit 56:69 (28:28). Ein ganz wichtiger Sieg gegen einen Konkurrenten im Kampf um den Klassenerhalt.
Suad Sutic (l.) pumpt den Reifen seines neuen Teamkollegen Wayne Boardman (r.) auf. Ganz links: Kim Robins.
Das Spiel unserer ersten Mannschaft in Bonn war nicht nur Premiere für unsere neuen Trikots, sondern auch der erste Auftritt von Wayne Boardman für den USC: Die britische Neuverpflichtung, bislang für Leeds aktiv, kam am Mittwoch in München an – für fast alle überraschend. Dabei hatte Präsident Wolfgang Schäfer bereits vor der Saison angekündigt, kurzfristig den Kader verstärken zu wollen, falls das Ziel Klassenerhalt gefährdet sein sollte. Nachdem der USC im Oktober mit einer Niederlage gegen Aufsteiger Rhine River Rhinos in die neue Bundesliga-Spielzeit gestartet war, wurde der Verein aktiv. Eine weitere Personalie für die Rückrunde will Schäfer nicht ausschließen – abhängig von den Ergebnissen in den kommenden Wochen.
Wayne, der Vater von zwei Kindern ist, wurde von Sinclair Thomas, dem USC-Trainer der vergangenen Saison, empfohlen. „Nicht nur sportlich ist Wayne ein Gewinn, weil er uns aufgrund seiner Erfahrung sofort weiterhelfen kann“, so Erich Hubel, Leiter des USC-Scoutings, der den Transfer realisierte. „Er ist auch ein äußerst offener und sympathischer Typ.“ Der 42-Jährige ist mit einem Punkt klassifiziert und doppelt begabt: In seiner Heimat ist der Brite auch als einer besten Rollstuhlrugby-Akteure des Landes bekannt.
Hoffmann und Sutic – zwei Center im Mittelpunkt
Oliver Hoffmann hieß der Mann der Anfangsphase. Der junge ASV-Center erzielte alleine in den ersten fünf Minuten satte zwölf Punkte und führte sein furios und gnadenlos effizient auftretendes Team zur Bonner Führung von 15:0. Dem wollte auf der Gegenseite USC-Spielertrainer und -Kapitän Taz Capasso nicht länger tatenlos zusehen, nahm eine frühe Auszeit und erzielte den gewünschten Effekt: Auf die klare Führung antworteten seine Schützlinge mit einem 7:0-Lauf – die Offensiv-Maschinerie kam langsam und stotternd, aber sicher in Fahrt. Bis zum Ende des ersten Viertels hielten sich die Kräfteverhältnisse mehr oder minder die Waage, sodass man beim Stand von 9:19 in den zweiten Spielabschnitt ging.
Dieser war dann Spiegelbild des vorangegangenen: Nun waren es die Münchner, die das Heft des Handelns in der Hand hielten und den Spiel-Rhythmus vorgaben. Hatte der bestimmende Spieler zuvor noch Oliver Hoffmann geheißen, war bei den Gästen nun Suad „Braco“ Sutic dran: Der in der Vorwoche schmerzlich vermisste Center und USC-Topscorer riss das Spiel an sich und erzielte im zweiten Viertel zehn Punkte – vor dem Pausenpfiff ein vor allem aus psychologischer Sicht enorm wichtiger Lauf. So wurden die ersten und extrem wechselhaften 20 Minuten beim Stand von 28:28 abgeschlossen.
Routine schlägt Jugend
Dieser Rückenwind machte sich auch zu Beginn der zweiten Hälfte bemerkbar. Die Münchner, die sich erstmals in den neuen, personalisierten Trikots und mit der überraschenden Neuverpflichtung Wayne Boardman (siehe Kasten oben) präsentierten , kamen hellwach zurück auf den Court und konnten sich eine nun verdiente Führung erarbeiten. So leicht ließ sich der tapfer kämpfende Aufsteiger vor eigenem Publikum jedoch nicht abschütteln, leistete vor allem mit physischen Mitteln erbitterten Widerstand und kam immer wieder an den USC heran. Dementsprechend knapp war die Gästeführung vor Beginn des letzten Viertels: 42:46.
Lange sollte die Unsicherheit auf den Rängen jedoch nicht währen: Die Münchner spielten, allen voran in Person von Sutic, Sebastian Magenheim und Kim Robins ihre Routine aus und zogen dem nordrhein-westfälischen Gastgeber bald den Stecker. Souverän und konsequent wurden die im Training eingeübten Spielzüge zu Ende gespielt – es wurde nun deutlich, wer die größere Bundesliga-Erfahrung hat. Der Endstand war infolgedessen nur folgerichtig: 56:69.
Die jungen Bonner lieferten insgesamt zwar ein starkes Spiel ab, mussten aber schlichtweg Lehrgeld zahlen. Die USCler konnten nach einer schwachen Anfangsphase das Ruder herumreißen und gewannen letztlich verdient. Dennoch wurde klar, dass noch viel zu tun bleibt, will man den Klassenerhalt frühzeitig sicherstellen.
Erneut schweres Auswärtsspiel für den USC
Die Chance, erstmals in dieser Saison eine positive Punktebilanz herzustellen, bietet sich dem USC am 12. November 2016 in Köln. Leicht wird das allerdings nicht: Die 99ers haben zwar drei ihrer bislang vier Spiele verloren, darunter jedoch auch jeweils gegen die Meisterschaftsfavoriten RSV Lahn-Dill und RSB Thuringia Bulls – dennoch gelten sie immer noch als Play-off-Anwärter. Zuvor geht es für den USC am kommenden Samstag in der Säbenerhalle in der 1. Pokalrunde gegen die Rhinos aus Wiesbaden, während Ausrichter RBB München (Iguanas) gegen die Roller Bulls antritt.
Ganz oben: Das bayerische Rollstuhlbasketball-Wunder ist vollbracht. Zum ersten Mal in seiner über 35-jährigen Geschichte präsentierte sich der USC München wie alle anderen Bundesliga-Vereine mit Trikots, die individuell die Namen der Spieler – zum Beispiel von Suad Sutic (l.) und Sebastian Magenheim (r.) – tragen. Mitte: Neuzugang Wayne Boardman und Spielertrainer Taz Capasso.